Die Digitalisierung – seit Erfindung des Buchdrucks gab es keinen vergleichbaren Big Bang in der Medienlandschaft. Innerhalb kürzester Zeit entstanden ganze Galaxien neuer Inhalte. Von Bewegtbild bis Print ist digital alles abbildbar, jeder kann per Mausklick zum Medienmacher werden. Die Werbebranche begegnet der neuen Content-Flut bis heute reaktionär.

Medien werden in der Planung immer noch getrennt behandelt – Planer A macht den TV-Einkauf, Planerin B Print und jetzt gibt es eben noch ein Büro C für alles Digitale. Und genau dorthin fließen mittlerweile riesige Teile der Mediabudgets. Die gewünschte Werbewirkung bleibt aber auch unter Einsatz gehypter Algorithmen oft aus, das Verschmähen analoger Medien wird mit sinkenden Reichweiten bestraft. Denn Mediaplanung im digitalen Zeitalter funktioniert nur vernetzt und medienübergreifend. Nur wenn wir Wege finden, alte und neue Medien in der Werbeplanung intelligent zu verknüpfen, können wir unsere Effizienzversprechen an die Kunden halten.

Der „War for Attention“ hat begonnen

Die Fragmentierung der Medien ist ein absoluter Megatrend des vergangenen Jahrzehnts. Die Anzahl an de.-Domains hat sich in den letzten fünf Jahren fast verdoppelt, die verfügbaren Apps haben sich um den Faktor 5.000 vervielfältigt. Die Zahl der TV-Sender ist fast 70 Prozent gestiegen und sogar die Neuerscheinungen im Print übersteigen bei weitem die Anzahl der Einstellungen. Gleichzeitig konsumiert der Einzelne dadurch aber nicht mehr Medien: 80 Prozent der TV-Nutzung fällt immer noch auf sieben Sender, Anwender nutzen im Schnitt nur fünf verschiedene Apps.

Der große Unterschied seit der Digitalisierung ist, dass die wenigen Sender, Zeitschriften und co. von Nutzer zu Nutzer individueller sind. Zielgruppen werden immer kleiner und diese zu erreichen immer schwieriger. Für eine Benchmark-Kampagne ist die Nettoreichweite in den letzten zehn Jahren dadurch um zehn Prozent gesunken, während die Kosten um 18 Prozent gestiegen sind.

“Künstliche Intelligenz und automatisierte Werbung werden der Branche in Hinsicht auf #Werbewirkung einen riesigen Schub geben. Aber sollten wir wirklich alle Macht an #Algorithmen abgeben? #IA #Ads“

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Das Fernsehen ist die letzte Reichweiten-Bastion

Wenn Reichweiten sinken und Budgets stagnieren, wird die Mediaeffizienz immer wichtiger. Im Zentrum der vernetzten Mediaplanung steht bei Mediaplus deshalb das klassische Fernsehen – eine der letzten Bastionen, wenn es um große Reichweiten geht. Und die brauchen Marken unbedingt, denn ohne den Wiedererkennungswert und die Strahlkraft eines TV-Spots verfehlen auch datenbasierte Werbemittel im Netz ihre Wirkung. TV weist nach wie vor den höchsten absoluten Beitrag zum Kampagnen-ROI auf, weil es ein hochwertiges Umfeld bietet, das trotz Medienfragmentierung Massen erreicht. Die Deutschen schauen immer noch über 2,5 Stunden Fernsehen am Tag und laut dem Verband Privater Rundfunk und Telemedien ist TV auch für Onliner die wichtigste Nachrichtenquelle. In Zeiten von Fake News ist das Werbeumfeld TV ein unverzichtbarer Imageträger für Marken.

Die digitale Verblendung verwässert Marken

TV als Kern der Mediastrategie bedeutet natürlich nicht, die Vorzüge des Digitalen zu verteufeln. Und Vorzüge gibt es in Fülle, vom datengetriebenen Targeting bis hin zur automatisierten Erstellung und Ausspielung von Werbemitteln. Doch viele Marketer sind von den Aussichten der schönen neuen Welt geradezu verblendet und ignorieren die Schwachstellen des Online-Marketings. Mediabudget wird blind von analog zu digital geschoben – vor allem zu Facebook und Google, die ganze 80 Prozent der Online-Werbegelder einstreichen. Das „The Winner takes it all“-Prinzip ist ein weiterer Megatrend der Digitalisierung und eine direkte Folge der Medienfragmentierung.

Marketing ist Beziehungsarbeit – Gute Kundenbeziehungen durch gute Inhalte | Dr. Andrea Malgara

Content Marketing ist keine Erfindung des 21. Jahrhunderts. Schon lange bevor das erste „http“ in eine Browserzeile getippt wurde, gab es „Sponsored Posts".

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Einige wenige Silicon Valley-Riesen wirtschaften mit einem monopolistischen Anspruch und stoßen bei den Werbern auf offene Ohren. Das Versprechen der Digitalkonzerne: Online ist jeder Klick messbar, what you see is what you get – nicht wie in der analogen Welt, wo die Quotenmessung deutlich ungenauer ist. Der Medienfragmentierung steuert man mit der Analyse von unerschöpflichen Konsumentendaten entgegen, wodurch Nutzer mit der für sie relevanten Werbung versorgt werden sollen.

Doch die versprochene Transparenz ist längst nicht ausgereift, ganz im Gegenteil. Stichwort „Adfraud“: Elf Prozent aller Online Display-Impressions und 23 Prozent aller Video-Impressions werden durch Bots hervorgerufen. Diese können zwischen fünf und 60 Prozent aller Impressions einer Kampagne ausmachen. Auch das zweite Versprechen, die zielgenaue Aussteuerung der Werbung, konnte den Rückgang der Werbeeffizienz noch nicht aufhalten. Die Konsumenten stumpfen bei digitaler Dauerbespielung ab, die Etablierung von Marken wird immer schwieriger.

Es herrscht 60-80 Prozent Floprate bei Innovationen, 70 Prozent der Online-Neukäufer sind Einmalkäufer und 37 Prozent der Stammkäufer wandern nach einem Jahr bereits wieder ab. Die sozialen Netzwerke und Google generieren zwar enormen Traffic, im Vergleich aber verschwindend geringe Aufmerksamkeit der User. Im Schnitt beträgt die Aufmerksamkeitsspanne der Nutzer bei einem Post im News Feed auf Facebook 1,7 Sekunden, die Halbwertszeit eines Posts beträgt nur 90 Minuten. Permanent landet neuer Content in den Timelines, sodass der Impact einzelner Werbebotschaften drastisch abnimmt.

TV gibt Online einen Effizienz-Schub

Ohne vernetzte Mediaplanung verlieren sich Werbebotschaften Online wie Meteoriten in einem schwarzen Loch. Doch mit TV-Spots als Booster sieht die Sache anders aus: TV-Kampagnen einer Marke erhöhen deren SEO- und SEA-ROI um 20 Prozent. Tendenz steigend, denn schon heute nutzt jeder Fünfte in der Altersgruppe der 14- bis 29-Jährigen täglich TV und Internet parallel. Alle 40 Sekunden erfolgt ein Wechsel des Screens, die User springen von TV zu Smartphone. Das Problem der fragmentierten Aufmerksamkeit können Mediaplaner in diesem Fall zu ihrem Vorteil nutzen: Ein hoher Parallelnutzungsanteil führt bei vernetzter Mediaplanung zu geringeren Cost-pro-Visits, kurz CpV, (-37 Prozent) und höheren Visits-pro-GRP, kurz VpGRP, (+32 Prozent), wie wir in einer großen Studie gemeinsam mit SevenOneMedia aufzeigen konnten.

Synergien zwischen den Medien schaffe ich allerdings nur dann, wenn ich Online den analogen Content nicht einfach verdopple. Der Konsument reagiert erst dann auf ein Markenangebot, wenn es auf dem zweiten Screen sinnvoll fortgeführt wird. Wir greifen bei Mediaplus deshalb auf 45 Millionen Targetingprofile zurück, um auf Nutzungswahrscheinlichkeiten unterschiedlicher Medien planen zu können. In der „NERO“-Profildatenbank sind über 80 Prozent der deutschen Onliner erfasst. Ihnen wird als Targetingkriterium eine prognostizierte TV-Kontaktwahrscheinlichkeit zugewiesen. Zur Generierung von TV und Onlinekontakten wird allen Profilen, die eine hohe TV-Kontaktwahrscheinlichkeit besitzen, auch ein Display-Werbemittel zugespielt. Zur Steigerung der Nettoreichweite spielen wir ergänzend eine Online-Bewegtbild-Kampagne an alle Profile aus, die nur eine sehr geringe Kontaktwahrscheinlichkeit mit der TV-Kampagne aufweisen.

Digitale USPs bringen die Kampagne ins Ziel

Eine TV-Kampagne können wir analog schon sehr weit optimieren. Im Zuge der Digitalisierung haben TV-Kampagnen rund 10 Prozent Nettoreichweite verloren. Wenn ich aber 25 Prozent des TV-Budgets in Spartensender investiere, erhalte ich größere Reichweiten als zuvor, weil ich Special Interest-Gruppen gezielt ansteuern kann.

Online sind die Individualisierungsmöglichkeiten natürlich viel höher. Wir können im e-Commerce nach einer Woche, in der ein Algorithmus den Online-Erfolg eines TV-Spots analysiert, bis zu 70 % mehr TV-induzierten Internetumsatz generieren, indem wir den Spot auf anderen Sendern und in anderen Zeitfenstern ausspielen. Wir haben zudem herausgefunden, dass Online-Werbung einer Marke bis zu 30 Prozent besser funktioniert, wenn sie innerhalb einer halben Stunde nach der TV-Ausstrahlung vermehrt geschaltet wird – wenn ich ein Online-Video mithilfe von Dynamic Creation dann noch an den einzelnen User anpasse, erhält die Digitalkampagne einen Uplift von 150 Prozent!

An diesem Punkt können wir als Mediaagentur die pompösen Versprechen von Facebook, Google und Co. in die Tat umsetzen. Aus Problemen der fragmentierten Aufmerksamkeit – Online ist die Verweildauer bei werblichen Botschaften extrem kurz und während eines TV-Werbeblocks wandert die Aufmerksamkeit zwischen den Screens – generieren wir nie dagewesene Effizienzpotenziale, wenn wir die Medien mithilfe neuester Technologien in der Planung intelligent miteinander verknüpfen.

Künstliche Intelligenz und automatisierte Werbung werden der Branche in Hinsicht auf Werbewirkung einen riesigen Schub geben. Aber sollten wir wirklich alle Macht an Algorithmen abgeben? Dann bieten wir Problemen wie Adfraud und Fake News einen fruchtbaren Boden. Wollen wir Facebook und Google blind Millionenbudgets hinterherwerfen und uns von US-Konzernen abhängig machen? Unsere Zahlen belegen, dass Mediaplanung in einer fragmentierten Medienlandschaft mit mehreren Screens pro User nur interdisziplinär eine zufriedenstellende Wirkung erzielt. Weder das hyperfragmentierte Internet noch die analogen Medien werden in Zukunft eine Werbewirkungs-revolution erreichen – wenn sie in der Planung weiterhin isoliert behandelt werden. Wenn wir aber Synergien der alten und neuen Welt nutzen, überzeugt Werbung schon bald nicht mehr durch Penetranz, sondern Relevanz.

Erschienen in TWELVE 2018, das Magazin der Serviceplan Gruppe für Kunden, Mitarbeiter und Freunde des Hauses

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